Offene Briefe 2015

Vorstandschaft Aktion Solidarität

Aktion Solidarität

Weihnachten 2015

Liebe Pateneltern, Lehrer und Schüler, Mitarbeiter,
Freunde und Untersützer „Aktion Solidarität“,

das Jahr 2015 neigt sich schon wieder dem Ende und es ist Zeit sich bei Ihnen für Ihre Unterstützung zu bedanken. In diesem Jahr stand besonders die Flüchtlingskrise im Fokus der Bevölkerung. Krieg, Terror und die oft vermeintliche Chance auf ein besseres Leben, lassen viele Menschen aus ihren Heimatländern fliehen. Umso wichtiger ist es, die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern, damit eine lebensgefährliche Flucht nicht notwendig ist. Seit Jahrzenten setzen wir hier an und unterstützen Menschen vor Ort mit „Hilfe zur Selbsthilfe“ – durch Hilfsgüterlieferungen oder mit finanziellen Mitteln. Neben einer guten gesundheitlichen Versorgung ist eine vernünftige Schulausbildung der Schlüssel gegen Armut und Gewalt.
Im Februar kam der 40-Fuß-Container mit den Hilfsgütern in Ruanda bei Pater Danko Litrić und Dr. Uta-Elisabeth Düll an. Im Juli wurde ein 20-Fuß-Container auf den Weg nach Togo gebracht, der bereits auch gut angekommen ist. Im November erfolgte eine Hilfsgüterlieferung in den Kosovo, für die sich die Caritas und Bischof Dodë Gjergji herzlich bedanken. Durch die Patenschaften konnte Pater Danko Litrić seinen Schützlingen u.a. den Schulbesuch ermöglichen. All das wäre ohne Ihre Hilfe nicht möglich!
Rund 300 Leute folgten der Einladung zum Brigitte Träger Konzert in der St. Peter Kirche Tirschenreuth. Der Reinerlös fließt vollständig in die Schulausbildung von Kindern in Ruanda.
Geroldine Ondrusek und Tobias Heindl besuchten im Februar und März die Hilfsprojekte in Ruanda und Kenia und konnten sich wieder davon überzeugen, dass die Hilfe wirklich bei den bedürftigen Menschen ankommt, aber auch weiterhin bitter nötig ist! Auf Bitten von Dr. Düll und Pater Danko werden wir im nächsten Jahr wieder einen Container nach Ruanda verschicken. Hierzu benötigen wir weiterhin Fahrräder, Nähmaschinen, Werkzeug etc. – Bitte weitersagen! Seit Juli 2015 besteht die Möglichkeit „Projektunterstützer“ zu werden. Mit einem monatlichen Beitrag ab 5.- € können Sie dabei das Projekt Ihrer Wahl unterstützen (Krankenhaus Gikonko – Dr. Uta Düll, Schule in Muhazi – Pater Danko Litrić oder das Kinderheim „The Nest“ von Irene Baumgartner). Durch die Projektunterstützer können die Verantwortlichen vor Ort langfristig planen.
Anbei übersenden wir Ihnen die traditionellen Weihnachtsbriefe von Irene Baumgartner, Dr. Uta Düll und Pater Danko Litrić! Wir danken all unseren Unterstützern mit einem herzlichen „Vergelt's Gott! Wir wünschen frohe Weihnachten im Kreise Ihrer Familie. Für das neue Jahr wünschen wir Gesundheit, Gottes Segen und bitten weiter um Ihre Unterstützung!

Anneliese Müller und Günter Kopf für das gesamte Team der „Aktion Solidarität“



Pater Danko Litrić SDB

Weihnachten 2015

Liebe Mitglieder, Mitarbeiter und Freunde der Aktion Solidarität,

schon gehen wir dem 3. Adventsonntag entgegen, Zeit zum Nachdenken und danken! Bei uns sind bereits „Große Ferien“, denn das Schuljahr endet hier im November. Ich befinde mich in der Schule in Kimihururu, einem Stadtteil von Kigali. Auch hier gibt es viele Kinder im Kindergarten, der Grund- und Hauptschule. Manche Kinder kommen aus reicheren Familien – die können Schulgeld bezahlen – dafür werden arme Kinder kostenlos mit aufgenommen.

Das große Jugendzentrum Gatenga, dass Ihnen ja bekannt ist, befindet sich zur Zeit im Wandel: Die Straßen- und Weißenkinder aus der Zeit nach dem Genocid, die von Ihnen viele Jahre unterstützt wurden, haben Ihre Schulausbildung beendet, sind erwachsen geworden, haben Arbeit gefunden. Dafür danken sie und ich Ihnen allen von Herzen. Nun soll dort eine höhere technische Schule für besonders begabte Schüler entstehen ...

Mit allen Spenden und den Beiträgen der Patenschaften können wir somit anderen armen Kindern helfen und ihnen eine Schulbildung ermöglichen. Es sind Kinder von alleinstehenden, meist kranken, Müttern (Aids und TBC) oder Kinder armer Familien, die verstreut auf den Hügeln um unsere Schule in Muhazi leben. Die Sorge um all diese Kinder und Familien konnte ich den einheimischen Schwestern den „Freundinnen der Armen“ übertragen. Sie haben eine besseren Einblick und Zugang zu den Nöten der Menschen, als wir Europäer.

Die Schule in Muhazi macht gute Fortschritte dort werden fast 300 Kinder unterrichtet. 90 Schüler haben im November ihre Schulausbildung abgeschlossen. Ein bleibendes Sorgenkind ist noch das Behindertenheim für Kinder und Jugendliche in Gahangi (Stadtteil von Kigali), das ebenfalls von den einheimischen Schwestern geleitet und betreut wird.

Mit Ihrer Unterstützung können wir wieder vielen Kinder und Jugendlichen helfen, damit sie durch eine solide Schulausbildung den Weg aus Armut und Not in ein menschenwürdiges Leben finden. Im Namen dieser Kinder, ihrer Mütter und der Schwestern sage ich Ihnen allen ein herzliches vergelt‘s Gott für Ihre, oft schon jahrelange, Unterstützung! Bitte bleiben Sie uns treu. Wir wünschen Ihnen frohe Weihnachten und wollen gemeinsam mit der kleinen „Delegation“ auf den Fotos das Kind in der Krippe um Frieden, Schutz und Segen für das neue Jahr bitten.

Ihr dankbarer
P. Danko Litrić



Dr. Uta Elisabeth Düll

Dezember 2015

Migranten von morgen? Oder gibt Afrika ihnen eine Zukunft?

Liebe Freunde, Helfer und Sponsoren,
Liebe Mitarbeiter der Aktion Solidarität,

was sind die Motive der Flüchtlinge, ihr Heimatland, den Kontinent zu verlassen? Krieg, Verfolgung, fehlende Menschenrechte, Hoffnungslosigkeit, Armut, Ausweglosigkeit, keine Perspektiven; Träume, Illusionen von einer besseren Welt. Europa wird mit den – oft unrealistischen – Erwartungen der Migranten einfach überfordert sein. Es muss Ziel aller Anstrengungen sein, die oben genannten Motive einer meist risikoreichen Flucht zu reduzieren. Leider ist es auch so, dass es nicht die ganz Armen sind, die sich eine Flucht „leisten“ können. Es sind die Intellektuellen, die den Weg nach Europa wagen, und somit genau die, die für die Zukunft und die Entwicklung der afrikanischen Länder unentbehrlich sind. Keiner, auch kein Land, kann diese Probleme alleine lösen, aber: „Wenn viele kleine Leute an vielen Orten viele kleine Dinge tun, können wir die Welt“ – und Afrika für diese Menschen – verändern.

Dass unsere Arbeit hier gebraucht wird, sehen wir an den täglich länger werdenden Warteschlangen, an den doppelt belegten Betten, an den Patienten, die immer mehr aus den angrenzenden Ländern Burundi, DR Kongo oder auch Tansania kommen. Wie schon in vielen Briefen berichtet, gehört unsere besondere Aufmerksamkeit den Kindern, die an Fehlbildungen, an chronischen Erkrankungen leiden, die unbehandelt zu schweren Handicaps führen würden. So konnten wir in diesem Jahr wieder Kinder mit „Hasenscharte“ operieren. Mit nur zwei Fäden, etwas Zeit und Geschick kann man den Kindern zu einem guten „Passbild“ verhelfen, sie vor dem Spott der Umgebung schützen.
Kinder, die mit Klumpfüßchen auf die Welt kommen, werden nach der Methode Ponzettis behandelt: erst Gips, dann orthopädische Schuhe und nach ca. einem Jahr sieht man nichts mehr. Das Geheimnis liegt in einer möglichst frühen Behandlung, am besten gleich nach der Geburt! Kinder mit Hydrocephalus (Wasserkopf), oft kombiniert mit einer Spina Bifida (offener Rücken), werden aus dem ganzen Land zu uns überwiesen. Dank unserer Spender können wir den Kindern mit einem Shunt den „schweren“ Kopf erleichtern, das überflüssige Gehirnwasser ableiten. Die Probleme der Spina Bifida sind in der Regel leider nicht mit dem operativen Eingriff gelöst; diese Kinder sind nicht nur oft querschnittsgelähmt, sondern leiden mit zunehmendem Alter an Inkontinenz für Stuhl und Urin. Sie sitzen immer im Feuchten, verbreiten einen üblen Geruch, sie und die Familie sind sozial ausgegrenzt. Zugang zur Bildung für die oft intelligenten Kinder ist nicht möglich, selbst behindertengerechte Schulen können dieses Problem nicht akzeptieren.
Immer wieder sehen wir Kinder und auch Erwachsene mit Knochenentzündungen, die oft über Jahre nicht adäquat versorgt wurden. Oft können wir durch eine radikale Operation und eine minutiöse Wundpflege auch dort helfen. Diese Patienten kommen oft von weit her und sind mehrere Wochen bei uns. Die finanziellen Mittel der Familien sind meist durch die Anreise schon aufgebraucht. So sind wir froh, dass wir ihnen durch die Hilfe von Spendern jede Woche eine Lebensmittelration geben können und auch das Fahrgeld für die Heimfahrt übernehmen können.
Unser Gesundheitszentrum ist eine permanente Baustelle. Der Laborbau ist fertiggestellt und wird von allen bewundert. Ende des Jahres werden wir drei Klassenräume der angrenzenden Schule, die inzwischen neue Schulgebäude gefunden hat, angliedern und in Schlafsäle für die Frauenklinik umbauen. Viel Zeit und Nerven kosten uns die von Regierung und NGOs geforderten Dokumentationen und Statistiken. Auch Archivierung, Abrechnung und Kasse müssen von zuverlässigen Mitarbeitern betreut werden, so dass der Betrieb reibungslos funktioniert. Sauberkeit und immer wieder Instandhaltungen erfordern flinke „Heinzelmännchen“. Es sind also nicht nur Krankenpfleger und Laboranten, die wir brauchen. In allen Bereichen benötigen wir hochqualifizierte, motivierte und zufriedene Mitarbeiter. Ein gerechtes Gehalt und Möglichkeiten zur Weiterbildung dienen nicht nur dem Individuum, sondern letztendlich allen. Dass uns diese Hilfe im vergangenen Jahr wieder in so vielfältiger Weise möglich war, dazu haben auch Sie beigetragen: Durch moralische Unterstützung, Ihre Sach- und Geldspenden oder durch fachlichen Rat aus der Ferne. Dafür danken wir im Namen der Menschen in Gikonko!
Ruanda rühmt sich zwar, dass 85% der Bevölkerung einen Schutz durch die lokale Krankenkasse hat. In Gikonko sehen wir die 15%, die sich keine Versicherung leisten können und im Krankheitsfall noch weniger den vollen Preis bezahlen können. Außerdem nützt uns die Krankenversicherung wenig, wenn diese schon nach dem halben Versicherungsjahr zahlungsunfähig ist und wir die Patienten fast gratis behandeln müssen, ohne Hoffnung auf Vergütung durch die Kasse. Helfen Sie uns, dass wir trotz all dieser Hindernisse auch in Zukunft für die Patienten da sein können.
Ich wünsche Ihnen allen ein gnadenvolles Weihnachtsfest und Gottes Schutz für das Jahr 2016!

Ihre
Dr. Uta-Elisabeth Düll



Irene Baumgartner

Pater Danko

15. November 2015

Liebe Freunde unserer Kinder,

wie die Zeit verfliegt! Es ist schön wieder Mitte November und damit Zeit für den alljährlichen Bericht. Den zu schreiben fällt mir heuer schwer. Nach den Attentaten von Paris beherrschen auch hier in Kenia große schwarze Schlagzeilen die ersten Seiten der Tageszeitungen. Es liegt eine seltsame, lähmende Atmosphäre über der Stadt. Jeder erinnert sich an das Massaker vor zwei Jahren im Einkaufszentrum Westgate in Nairobi. Unsere Welt scheint sich verkehrt zu haben: das Leid, über das wir all die Jahre berichtet haben, ist ganz plötzlich direkt vor der Haustüre in der Heimat aufgetaucht. Nun ist es für uns in Kenia der Normalzustand, in Deutschland erscheint uns das ganze fremd und unberechenbar.

Nun aber zum Jahresrückblick: Bis auf die massiven Schäden am „Half-Way Haus“, die uns durch die Erdbewegungen der direkt an unser Grundstück angrenzenden Baustellen entstanden sind und bis auf den Rechtsstreit, den wir mit der Baufirma der Babystation wegen der erheblichen Baumängel ausfechten müssen, war 2015 ein gutes Jahr für das Nest: Heuer hat es endlich mit einem neuen Auto geklappt! Vier Jahre lang haben wir uns um Steuerbefreiung bemüht, leider war alle Mühe umsonst. Aber das neue Auto erleichtert uns die Fahrten für die Hausbesuche und vor allem die Fahrten zur Wiedereingliederung.
Das Wichtigste: Unsere Kinder sind alle gesund und guter Dinge! Die großen Ferien zwischen den Schuljahren beginnen hier schon Anfang November. Alle unsere Internatskinder beendeten das Schuljahr mit guten Noten, und sind jetzt zu Hause im Nest und genießen das von den Größeren mitgestalte Ferienprogramm mit allerlei Aktivitäten wie Weihnachtsdekoration, Basteln, Malen, Tanzen u.v.m.
Am meisten freuen sich alle; auf die versprochenen Weihnachtsausflüge! Die Weihnachtszeit ist auch mit einem besonderen Essen, wie z.B. Hühnchen, Reis und Eiscreme verbunden - für unsere Kinder ein richtiges Festmahl! Viele unserer Kinder kennen ja nur die Armenviertel der Großstadt, wo sie lebten, bevor die Mütter verhaftet wurden oder das Gefängnis, in das sie schon als Säuglinge kamen. Kinder dürfen hier bis zum vierten Lebensjahr bei ihren Müttern in der Haftanstalt bleiben. Viele Kinder die bei uns eintreffen sind in einem erbärmlichen Zustand und benötigen zuerst medizinische Behandlung und dann viel Aufmerksamkeit und Liebe. Sie werden ins Nest gebracht, weil sie in Not sind, krank, unterernährt, schmutzig, oft traumatisiert und hungrig nach Nahrung, nach Zuneigung und Anerkennung.
Durch die viele Unterstützung die wir erhielten, konnten wir in diesem Jahr über 150 Kinder bei uns aufnehmen und davon 85 Kindern und ihren Müttern zu einem eigenen Zuhause verhelfen! Insgesamt wurden 234 Kinder in ihre Familien vermittelt. Die genannten 85 Kinder waren zuerst bei uns im Heim, die anderen konnten direkt zu den Großeltern oder Verwandten gebracht werden. Wenn Sozialarbeiter nach erfolgreicher Wiedereingliederung der Mütter diese Kinder dann zu Hause und in der Schule besuchen und wir sicher sein können, dass es ihnen jetzt gut geht, dann ist das unser größter Lohn!

Kenia befindet sich im Auf- und Umbruch: Alte Familien- und andere soziale Netzwerke sind selbst im ländlichen Bereich in Auflösung begriffen. Die neuen Werte orientieren sich ab der Erfüllung individueller und materielle Bedürfnisse. Investitionen und ein nie dagewesener Bauboom schaffen Arbeitsplätze für gut ausgebildete Fachkräfte, aber auch für tausende ungelernter Arbeiter. Das Wirtschaftswachstum 2014 betrug 6%! Die Folgen des rapiden Wirtschaftswachstums bei gleichzeitig fehlenden Strukturen ist eine sich immer weiter öffnende Schere zwischen arm und reich! Mittelschicht und Oberschicht grenzen sich im Alltag immer noch von der ärmeren Bevölkerung ab. Besonders unsere Frauen leiden unter dem Stigma der Ausgrenzung!
Wie versuchen die Mütter zu überzeugen, der Großstadt, also den Slums, den Rücken zu kehren und dorthin zu ziehen, wo sie Freunde und Verwandte haben. Viele wollen jedoch nicht aufs Land ziehen, denn da ist das Leben beschwerlicher als in den Armenvierteln der Großstädte. Dort gibt es nämlich zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, aus allen Herren Ländern. Und die bieten viele kostenfreie Dienstleistungen und Handouts (also Almosen) an. Das zieht die Armen in die Städte und macht sie abhängig und unselbstständig; oft auch unzufrieden und neidisch und damit aggressiv. Ein Teufelskreis!
Und dennoch: Wenn die Frauen wieder mit ihren Kindern zusammengeführt werden, bedeutet dies in den meisten Fällen ganz von vorne anfangen. Die Frauen bestimmen, wo sie sich niederlassen wollen und welches Kleingewerbe ihnen am meisten entspricht. Ihre Motivation ist hoch! Neben einem Kleingewerbe (z.B. mobiler Frisörsalon, Obst- oder Gemüsestand) erhalten die Frauen das Allernötigste für ihren Hausstand: ein Bett, Matratzen, Decken, Kleider, einen kleinen Kerosinkocher, einen Tisch, Stühle und Lebensmittel für vier Wochen. Außerdem bezahlen wir die Miete für 3 Monate. Die meisten Frauen schaffen es dann, wieder alleine auf die Beine zu kommen und sind stolz darauf!

Ich bedanke mich für all Ihre Unterstützung und wünsche Ihnen eine geruhsame Adventszeit und gesegnete Weihnachten.

Eure
Irene Baumgartner